Gesangscontest vor der Balkontüre

23.04.2020, Katja Rauchenstein
Vogelgezwitscher und Frühling gehören zusammen wie heisse Beeren und Vanilleeis oder Salzgeschmack und Sandstrand. Gibt es etwas Schöneres, als bei diesen milden Temperaturen im Garten oder auf dem Balkon zu sitzen und dem Vogelkonzert zu lauschen? Bemüht man sich jedoch, richtig zuzuhören und einzelne der sich gegenseitig überstimmenden Gesangsdarbietungen herauszufiltern, merkt man schnell, dass das Ganze gar nicht so leicht ist. Wer zwitschert da eigentlich alles?
Vogel-Deutsch / Deutsch-Vogel

Die Vögel im Lied „Amsel, Drossel, Fink und Star und die ganze Vogelschar“ kennen die meisten von uns und können sie zumindest vom Aussehen her unterscheiden. Doch haben Sie auch schon von Rohrdommel, Feldschwirl, Wiedehopf, Mönchsgrasmücke und Hausrotschwanz gehört?  Oder würden Sie sich nicht bei „Oh schau, da fliegt eine Weihe“ kurz wundern, wie es kommt, dass eine Wähe fliegen kann und dann hungrig ans baldige Abendessen denken? Seien Sie beruhigt, mit ein paar Tipps und etwas Übung kann jeder die gängigsten Vogelarten unterscheiden lernen (und mit noch etwas mehr Übung vielleicht auch ein versierter Vogelkenner werden). In der Folge eine kurze Einführung:  

Die Kornweihe fliegt sehr elegant, wobei sie ihre langen, schmalen Flügel oft V-förmig hält.
Vorhang auf für Amsel, Spatz und Rotkehlchen

Frühmorgens sitzt er hoch oben auf dem Baum und singt aus voller Kehle – Herr Amsel erkennt man leicht am schwarzen Gefieder, dem gelben Schnabel und dem wohlklingenden, flötenden Gesang. Auch die lustige Spatzen-Gang mit dem aufgeregtem Tschilp-Tschilp ist im Siedlungsraum schnell als Haussperlingsgruppe entlarvt. Und die kugelrunden Rotkehlchen mit der wunderschön gefärbten Brust fallen besonders im Winter auf, da sowohl Männchen als auch Weibchen in der kalten Jahreszeit aus voller Kehle melodiös singen.

Die Amsel war ursprünglich ein scheuer Waldbewohner, ist heute jedoch oft im Siedlungsraum und in Städten antreffbar.
Bierliebhabende Nummer 1

Obwohl der Buchfink auf Platz 1 der häufigsten Schweizer Brutvögel steht, wird er seltener wahrgenommen als manche seiner auffälligeren Singvogelkollegen. Wer jedoch seinen Gesang kennt und dazu noch Bierliebhaber ist, wird den hübschen Fink nicht mehr überhören können. Der Buchfink singt stets dieselbe Zeile, welche mit etwas Fantasie wie „Fritz, Fritz, Fritz – bring mir ein Bier“ klingt. Mit einem solch passenden Konzert im Garten, macht das Grillieren doch gleich noch viel mehr Freude! 

Der Buchfink ist der häufigste Brutvogel in der Schweiz.
Sendestörung beim Radio

Auch der Hausrotschwanz ist mit seinem auffallenden Gesang einfach erkennbar: „Tideldi chrrchrrrrrrrrr“ singt er meist von oben vom Dach, wobei der zweite Teil irgendwie an einen Radio mit Sendestörung erinnert. Aber dennoch hübsch anzusehen ist er mit seinem schwarzen Gefieder und dem leuchtend roten Schwanz. Anders der Zilpzalp, den man gerne als „kleinen braunen Vogel“ mit vielen anderen „kleinen, braunen Vögeln“ in einen Topf wirft. Glück für uns, dass der unscheinbare Zilpzalp seinen eigenen Namen in Dauerschleife ruft: „Zilp-Zalp-Zilp-Zalp“. 

Der Hausrotschwanz singt an einem sonnigen Tag durchschnittlich 5'000 Strophen, das sind etwa 6 Stunden reine Gesangszeit.
Zeit nehmen und lauschen

Diese Auflistung könnte noch ewig weitergehen. Doch noch ein Tipp zum Schluss: Nehmen Sie sich Zeit, geniessen Sie das Vogelkonzert und versuchen Sie, die einzelnen Stimmen der Vögel herauszufiltern. Bei unbekannten Gesängen hilft es, den Vogel mit einem Feldstecher zu lokalisieren – das Optische hilft vielfach bei der Identifizierung der Art. Neben dem Gesangsvergleich mit aufgenommenen Vogelstimmen oder einem Bestimmungskurs helfen gespitzte Ohren und bewusstes Beobachten, um bald ein guter Vogelkenner zu sein. Der Aufruf „Stunde der Gartenvögel“ vom 6.-10. Mai 2020 von BirdLife Schweiz kommt da doch gerade recht – nehmen Sie sich eine Stunde Zeit und melden Sie alle Vögel, die Sie in Ihrem Garten oder vom Balkon aus sichten. Doch seien Sie gewarnt: Wer den Himmel zu oft nach Weihen absucht, vergisst schnell das eigene Abendessen im Backofen. 

Weiterführende Informationen

Artporträt

Turdus merula